"Herr der Ringe" philosophisch betrachtet


Ich begegne immer häufiger Leuten die sich abfällig über Herr der Ringe äußern. Beim Nachfragen stellt sich dann üblicherweise heraus, daß sie die Filme oder Bücher nicht oder nur zum Teil gesehen bzw. gelesen  haben. Viele haben nur den Teil III im Kino gesehen und halten den Film für ein einziges blutrünstiges Gemetzel mit einem viel zu langen Schluß. Da sie die vorhergehenden Teile nicht kennen, haben Sie keine Chance die Handlung zu verstehen. Diese Leute erkennen nicht, daß sie einen banalen Fehler gemacht haben, sondern halten die Geschichte für blöd. Leider ist die Kinofassung sehr komprimiert. Trotz 10 Stunden Länge wird nichts erklärt und nichts wiederholt. Wer eine Schlüsselszene verpaßt, wundert sich später über unerwartete seltsame Wendungen in der Handlung. Einige wichtige Szenen fehlen in der Kinofassung und sind nur in der "Extendet Version" enthalten. z B. nur in der Langversion wird erklärt was es mit den Tarnumhängen auf sich hat. Deshalb werden die Kommentare von Eomer bei  seiner ersten Begegnung mit Aragorn unverständlich. Ebenso das Versteckspiel von Frodo vor dem schwarzen Tor.

Herr der Ringe macht eine ganze Reihe von hoch aktuellen philosophischen Aussagen. Dies ist in meinen Augen auch das ganz besondere an diesem Film (Buch). Leider wird die Geschichte von vielen nicht verstanden. Deshalb habe ich mich entschlossen, diesen Text zu schreiben. Ich will mir nicht anmaßen, hier eine umfassende Beschreibung oder Analyse abzugeben. Vielmehr will ich einige wenige Denkanstöße geben, um Leuten den Einstieg in die doch sehr komplexe Geschichte zu erleichtern.
In einem Philosophievortrag zum Thema Wissen und Macht habe ich vor kurzem sehr ähnlich Denkanstöße und Aussagen gehört.

Der Film handelt von 4 Hobbits die eine Reise machen, deshalb endet der Film auch nicht mit der Vernichtung von Sauron, sondern mit der Rückkehr der Hobbits ins Auenland. Thema des Films ist nicht der Kampf von Gut gegen Böse (wie in Hollywoodschinken), dies dient nur als Hintergrundkulisse, sondern die Geschichte von 4 kleinen Leuten die ihren Weg suchen. Gezeigt wird nicht nur ihr Weg durch Mittelerde, sondern auch der Weg zu sich selbst, zu eigener Stärke. Hobbits sind kleine Leute die nicht nach Macht streben, sondern nur ein gutes Leben führen wollen. Im Gegensatz zu den kleinen Leuten in unserer Gesellschaft sind sie zufrieden. Unsere kleinen Leute jammern, daß alle Politiker blöd sind und sie es besser wissen würden, daß sie aber als Einzelne ja nichts machen können. Unsere kleinen Leute würden gerne mächtig sein, aber sie trauen sich nicht es zu werden. Es währe auch viel zu anstrengend. Damit die eigene Bequemlichkeit und damit Machtlosigkeit erträglich wird, erklären sie Besitz von Macht als unmoralisch. Sie haben deshalb auch keine Macht über sich selbst und sind jeder Einwirkung von außen hilflos ausgeliefert. Jede Beeinflussung löst Panik aus. Jede von anderen getroffene Entscheidung und sei sie noch so klein gibt ihnen das Gefühl hilflos zu sein. Das Volk der Hobbits ist hier einen Schritt weiter,  deren Kredo ist "misch dich nicht in die Angelegenheiten der Großen ein dann geschieht dir nichts". Frodo und seine Freunde erkennen daß dies nicht hilft. Frodo will den Ring an Gandalf abgeben. Damit hätte er das Problem an einen Mächtigen delegiert. Dieser lehnt jedoch ab. Es bleibt Frodo nichts anderes übrig als Verantwortung zu übernehmen (für sich und der Dramatik wegen für das ganze Auenland). Dies ist der erste Schritt zu eigener Größe. Macht über sich selbst gewinnen. Im weiteren Verlauf der Geschichte wächst ihm Macht über seine Gefährten zu. Auf dem tief verschneiten Berg sogar über Gandalf, weshalb dieser in Moria getötet wird. Jeder der den Ring der Macht nutzt erhält absolute Macht. Es ist jedoch keine eigene Macht, sondern eine verliehene Macht. In diesem Fall Saurons Macht. Es würde deshalb Sauron herrschen und nicht der Nutzer des Rings. Frodo ist nur Träger des Rings nutzt ihn jedoch nicht.
Es gibt also zwei Arten von Macht: 1. Macht die einem aus den eigenen Können und Wissen erwächst, 2. Macht die einem von einem Mächtigen verliehen wird. Geld verleiht eventuell auch Macht jedoch nur wenn es mit entsprechenden Können und Wissen angewandt wird. Boromir hält seine eigene Macht also Typ 1 für unzureichend und erliegt der Versuchung des Rings. Er möchten den Ring und damit fremde Macht für eigne Zwecke nutzen (Typ 2), was zu seinem Tod führt. Frodo trennt sich von seinen Gefährten um sie nicht weiter dieser Gefahr auszusetzen. Er vertraut dabei auf seine eigene Stärke (Macht). Sam folgt ihm als Diener. Er möchte helfen. Er stellt Frodo seine Stärke zur Verfügung. Sam verleiht Frodo Macht über sich.
Macht kann also über einen Menschen nur ausgeübt werden wenn dieser es zuläßt, oder wenn dieser keine Macht über sich selbst hat. Je mehr eigene Macht ein Mensch hat, desto kleiner ist der Einfluß fremder Mächte auf ihn. Die oben erwähnte Verteufelung von Macht ist also absurd, da sie unweigerlich in die eigene Bevormundung führt. Die Ereignisse zum Ende des ersten Teils führen dazu daß die Gefährten eigene Wege gehen. Erst im dritten Teil treffen sie sich wieder. Besonders Aragorn macht im zweiten Teil eine ähnliche Entwicklung durch, wie Frodo im ersten Teil. Auch ihm wächst Macht zu. Es bleibt ihm nichts anderes übrig als die Verantwortung für seine Macht zu übernehmen und sie auszuüben (in der Schlacht um die Helms Klamm). Pippin und Merry beschwatzen Fangorn, sie zu Saurumans Turm zu bringen und erzwingen damit den Kriegseintritt der Ents. Dies ist Machtausübung via Manipulation. Schlangenzunge hat König Théoden unter seine Kontrolle gebracht in dem er Informationen umdeutet oder ihnen einen anderen Klang gibt. Machtausübung durch geschickte Wortwahl. Sauron treibt Denethor in den Selbstmord, in dem er die Informationen die Denethor erhält filtert. Machtausübung per Zensur.
Der weitere Weg Frodos zeigt, wie jemand an einer Aufgabe wächst, wenn er nicht aufgibt. Zum Ende erkennt Frodo daß er dem Auenland entwachsen ist. Er kann nicht mehr in dieses einfache Leben zurückkehren.

So betrachtet ist  "Herr der  Ringe"  eine Analyse der Möglichkeiten zum Umgang  mit der Macht, aber dies ist nur ein kleiner Teil des Gesamtwerks. Wer sucht wird weitere Aussagen zu anderen Themen finden.

So etwa über böse Menschen. Der Wert von Frodos Brustpanzer treibt einen ganzen Wachturm angefüllt mit Soldaten in den Tod. Neid und Eifersucht werden hier als charakteristische  Eigenschaften des Bösen gezeigt. Menschen die ihren Wert bzw. ihr Selbstbewußtsein aus dem Vergleich mit Anderen ziehen, sind versucht den Anderen zu beseitigen oder dessen Werte an sich zu nehmen. Was den Wachturm mit Toten füllt. Auch etwas später rettet diese Eigenschaft des Bösen Frodo das Leben. Was wir Böses nennen ist letztlich eine Geringschätzung des Anderen. Da dies jedoch auf Gegenseitigkeit beruht, führt der anfängliche Vorteil den man sich dadurch verschafft schnell in das eigene Unglück. Die Bösen in Herr der Ringe zögern nicht sich gegenseitig umzubringen, wenn sie sich davon einen kurzfristigen Vorteil versprechen. Ein guter Mensch sollte sich selbst als Maßstab nehmen und daraus seinen Selbstwert ziehen. Er sollte nicht versuchen
besser zu werden als andere, sondern größer als Er selbst. Dies führt dazu, daß jeder kleine Schritt das Selbstbewußtsein steigert. Es kommt so zu Wachstum.  Es gibt keine unerreichbaren Ziele mehr. Neid und Eifersucht werden bedeutungslos. Es wird immer einen reicheren, mächtigeren, klügeren, gelehrteren, fleißigeren, unabhängigeren geben. Dies ist jedoch kein Grund, nicht an sich selbst zu arbeiten und nach vielen kleinen Schritten wird man erstaunt sein, wie weit man gekommen ist. So wie Frodo verblüfft feststellt, daß er das Unmögliche geschafft hat. Einfach in dem er die Zeit, die ihm gegeben wurde, genutzt hat um seinem Ziel näher zu kommen.

Gollum ist ein gutes Beispiel für Böses das letztlich Gutes tut. Weil er den Ring haben will beißt er Frodo den Finger zusammen mit dem Ring ab und befreit damit Frodo davon. Frodo hätte es selbst nicht geschafft den Ring abzuziehen und ins Feuer zu werfen. Das Gegenteil: ein "Guter" der mit den besten Absichten Unglück über andere bring fehlt im Film. Die menschliche Geschichte kennt jedoch unzählige davon. (Päpste, Präsidenten, Propheten, Ideologen, Führer) Alle diese Verbrecher wissen besser, was anderen gut tut, als jene selbst.


Liebe in allen Variationen ist auch Thema des Films.
1. zwischen Aragorn und Arwen aber deren Vater und Sippe ist dagegen
2.
Eowyn zu Aragorn die aber nicht erwidert wird. Eowyn beschließt deshalb in den Tod zu reiten.
3. Sam zu seinem Chef Frodo
4. Frodo zu seinem Angestellten Sam
5. Faramir zu seinem Vater, die aber auf Ablehnung stößt. Er wird gezwungen in den Tod zu reiten.
Eowyn und Faramir werden verletzt, kommen in das selbe Krankenhaus und finden dort zu einander.
6. Gollum liebt den Ring wie einen Fetisch

Herr der Ringe enthält Unmengen von Witzen und sonstigem Humor. Ich habe erstaunlicherweise nur wenige im Kino lachen gesehen. Es fehlt offensichtlich das Gelächter aus den Off, das dem Zuschauer darauf hinweist, daß dies jetzt ein Witz war und er zu lachen hat.

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(C) 2004  Martin

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